Sexuelle Gewalt ist eine sexuelle Handlung eines Erwachsenen oder Jugendlichen mit einem Jugendlichen oder Kind. Die Betroffenen können dieser Handlung auf Grund ihrer intellektuellen und emotionalen Entwicklung nicht frei und informiert zustimmen. Der Erwachsene nützt einen Vorsprung an Wissen und Macht aus, er überredet das Kind/den Jugendlichen zur Kooperation. Häufig gibt es dabei die Verpflichtung zur Geheimhaltung, die das Kind zur Sprachlosigkeit, Wehrlosigkeit und Hilflosigkeit verurteilt.
Du hast eine Situation beobachtet, die dir seltsam vorkam?
(Quelle: Kinder- und Jugendanwaltschaft Kärnten, Hrsg., Sexuelle Gewalt an Kindern. Information, Hilfsangebote, Prävention. 2008)
Überblick über das relevante Strafrecht und Eingriffsmöglichkeiten des Jugendamtes, des Familiengerichts und der Polizei
1. Besonderer Schutz für Minderjährige
Der Gesetzgeber macht die Strafbarkeit für sexuellen Missbrauch vom Alter des Kindes oder des Jugendlichen abhängig. Sexuelle Handlungen an Kindern unter der Schutzaltersgrenze von 14 Jahren sind generell verboten. In einigen Fällen liegt die Schutzaltersgrenze bei 16 bzw. bei 18 Jahren (z. B. Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, § 212 StGB)
2. Folgende Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch kommen bei sexuellem Missbrauch in Betracht:
3. Sonstige relevante Strafrechtsbestimmungen
Daneben gibt es strafrechtliche Tatbestände, die nicht auf minderjährige Opfer beschränkt sind, die aber ebenfalls im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung (vor allem bei Jugendlichen) von Bedeutung sind:
4. Der Rechtsweg
Zu unterscheiden sind grundsätzlich familienrechtliche und strafrechtliche Maßnahmen. Über die familienrechtlichen Maßnahmen entscheidet der Familienrichter im Rahmen des Pflegschaftsverfahrens (z. B. Entzug der Obsorge). Familien- und strafrechtliche Maßnahmen erfolgen meist parallel. Über strafrechtliche Maßnahmen entscheidet das Strafgericht.
5. Familienrechtliche Maßnahmen
Diese sind erforderlich, wenn ein Familienmitglied des sexuellen Kindesmissbrauches verdächtigt wird bzw. ein Kind in der Familie keinen entsprechenden Schutz findet und das Kindeswohl gefährdet ist.
6. Jugendwohlfahrtsbehörden
Die Jugendämter bei den Bezirkshauptmannschaften und Magistraten informieren, beraten und helfen in sämtlichen Angelegenheiten, die die Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen betreffen. Bei einer ernstlichen Gefährdung des Kindeswohls haben sie die Möglichkeit, eine Gefahr-im-Verzug-Maßnahme zu setzen: Das heißt, sie können veranlassen, dass das Kind aus der Familie genommen wird (Kindesabnahme) und in einer betreuten Wohngemeinschaft oder bei einer Pflegefamilie untergebracht wird (Fremdunterbringung). Das Jugendamt muss dann unverzüglich, jedenfalls aber innerhalb von acht Tagen nach der Kindesabnahme, einen Antrag beim Pflegschaftsgericht auf Entziehung der Obsorge einbringen.
7. Strafanzeige
Während Privatpersonen und -institutionen das Recht, aber nicht die Pflicht haben, eine Anzeige zu erstatten, sind Sicherheitsdienststellen, öffentliche Behörden und Dienststellen sowie Ärzte unter jeweils verschiedenen Voraussetzungen zu einer Anzeige verpflichtet.
8. Verjährung
Wenn jemand bis zum 18. Lebensjahr Opfer von Sexual-, Gewalt- und Freiheitsdelikten geworden ist, beginnt die Verjährungsfrist erst mit Vollendung des 28. Lebensjahres zu laufen.
9. Was kann ich tun?
Je nach Einschätzung der Gefährdungslage sollte bei konkretem Missbrauchsverdacht oder konkreter Missbrauchskenntnis entweder das Jugendamt und/oder die Polizei benachrichtigt werden. Bei dringenden und lebensgefährlichen Situationen ist jedoch immer die Polizei einzuschalten, weil nur sie das Kind ggf. mit Gewalt aus dem (häuslichen) Umfeld herausholen kann.
Darüber hinaus sollte in Zweifelsfällen das Jugendamt informiert oder Beratung bei Kinderschutzzentren bzw. der Kinder- und Jugendanwaltschaft in Anspruch genommen werden. Dies geht teilweise anonym, häufig gibt es örtliche bzw. regionale Kontaktrufnummern und Hotlines. In den Jugendämtern befassen sich Fachkräfte mit diesen Informationen und müssen diesen gem. § 2B-JWG nachgehen. Im Gegensatz zu manchem reißerischen Medienbericht arbeiten in den Jugendämtern und den Beratungsstellen engagierte und kompetente Mitarbeiter, die auch gerne beratend tätig werden.
Es muss Pastoren, Jugend- und Pfadfinder-Mitarbeitern, Erziehern in Kindergärten, ehrenamtlichen Mitarbeitern von kirchlichen Einrichtungen und auch jedem Gemeindeglied ein Anliegen sein, Kindern und Jugendlichen jeden erdenklichen Schutz zu bieten.